Gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers zur Arbeitszeiterfassung
14. September 2022Am 13.09.2023 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass ein Betriebsrat kein Initiativrecht zur Einführung einer elektronischen Zeiterfassung habe – denn zur Zeiterfassung sei der Arbeitgeber bereits gesetzlich bei europarechtskonformer Auslegung, gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG verpflichtet.
Dem war vorausgegangen, dass ein Arbeitgeber mit einem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung abschließen wollte. Hierzu gab es mehrere Verhandlungsrunden, die Jörg jedoch letztlich dazu führten, dass der Arbeitgeber von dem Vorhaben gänzlich Abstand nahm. Der Betriebsrat wollte sich damit aber nicht abspeisen lassen, sondern forderte den Abschluss einer entsprechenden Betriebs einer Vereinbarung und die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung. Dies machte der Betriebsrat auch gerichtlich geltend.
Die Frage, ob der Betriebsrat für eine derartige Betriebsvereinbarung ein Initiativrecht hat oder nur der Arbeitgeber ein derartiges Vorhaben anschieben kann, war bisher umstritten. Einige Landesarbeitsgerichte haben dies bejaht. Nun hatte hierüber das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden.
Hier kam es dann zur Überraschung: Das Bundesarbeitsgericht lehnte zwar ein Initiativrecht ab, aber nur deshalb, weil eine gesetzliche Verpflichtung bereits dazu bestehe (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13. September 2022 – 1 ABR 22/21).
Diese Frage war nach der sog. "Stechuhr-Entscheidung" des EuGH v om 14.5.2019 - C-55/19, diskutiert worden und Meinungsstand war mehrheitlich, dass nunmehr der Gesetzgeber verpflichtet sei, eine Regelung zu bewerkstelligen. Entsprechend wurde spekuliert, in welchem Umfang hier Vorgaben gemacht werden müssten.Tatsächlich hat das Bundesarbeitsgericht hiermit jetzt die Gesetzgebung überholt. Für diese wird jetzt erheblicher Zugzwang schwang bestehen, die Auslegung des Bundesarbeitsgerichts möglicherweise abzumildern, so man dies denn will. Aus der bisherigenPolitischen Diskussion ließ sich dieser Eindruck gewinnen.
Aktuell bedeutet dies jedoch, dass Arbeitgeber verpflichtet sind die Arbeitszeit zu erfassen. Dabei unterscheidet die Regelung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchGNicht nach der Größe des Arbeitgebers; diese Pflicht gilt jetzt also für alle Arbeitgeber.
Da sich auch um die Auslegung einer bereits seit langem bestehenden gesetzlichen Regelung handelt, gilt diese Verpflichtung nicht nur sofort, sondern auch rückwirkend.
Für Arbeitnehmer wird dies voraussichtlich die Geltendmachung von Überstunden deutlich erleichtern, da die unterbliebene ZeiterfassungNunmehr eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers darstellt, die sich beweisrechtlich zugunsten der Arbeitnehmer auswirken muss. Die konkreten Konsequenzen bleiben abzuwarten, können aber bis zu einer Beweislastumkehr gehen.