Diskriminierung von Vätern nach der Geburt?
03. Dezember 2020Ein französische Tarifvertrag gibt Arbeitnehmerinnen, die ihre Kinder selbst erziehen, im Anschluss an den gesetzlichen Mutterschaftsurlaub einen Zusatzurlaub von drei Monaten Urlaub bei halber Bezahlung, eineinhalb Monaten bei voller Bezahlung oder einen einjährigen unbezahlten Urlaub .
Ein Vater beantragte diesen Zusatzurlaub, was der Arbeitgeber jedoch ablehnte.
Daraufhin klagte seine Gewerkschaft in seinem Namen. Das angerufene Arbeitsgericht verwies dabei auf die Rechtsprechung des in dem Fall höchsten französischen Gerichts (den Kassationsgerichtshof), der entschieden habe, dass der fragliche Urlaub dem Schutz der besonderen Beziehung zwischen der Frau und ihrem Kind in der Zeit nach der Schwangerschaft und der Entbindung diene und daher nur der Frau zustünde.
Die hier maßgebliche europäische Gleichbehandlungsrichtlinie (Richtlinie 2006/54/EG (Gleichbehandlungsrichtlinie) - es gibt noch weitere) verbietet jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen.
Daher legte das angerufene Arbeitsgericht den Fall dem EuGH mit der Bitte um Vorabentscheidung vor. Dieses stellte mit Urteil vom 18.11.2020, Rechtssache C-463/19, eine Ungleichbehandlung fest, die jedoch im konkreten Fall gerechtfertigt sei.
Wenn ein Vater unter denselben Bedingungen laut Tarifvertrag einen solchen zusätzlichen Urlaub nicht nehmen darf, den eine Mutter nehmen dürfte, stelle das eine Ungleichbehandlung von Männern und Frauen dar. Diese sei aber gerechtfertigt, wenn der Urlaub der Mutter nicht in ihrer Eigenschaft als Elternteil gewährt werde, sondern sowohl hinsichtlich der Folgen der Schwangerschaft als auch hinsichtlich ihrer Mutterschaft. Der zusätzliche Urlaub müsse dazu dienen, den Schutz der körperlichen Verfassung der Frau sowie der besonderen Beziehung der Mutter zu ihrem Kind in der Zeit nach der Entbindung zu gewährleisten.
Da dies auf die Regelung in dem französischen Tarifvertrag zutreffe, sei die Regelung wirksam und Väter würden durch diese nicht diskriminiert.
Es tellt sich immer wieder die Frage, ob auch Männer gegenüber Frauen durch bestimmte Regeln schlechter gestellt und damit diskriminiert werden, sowohl im Sinne der europäischen Gleichstellungsrichtlinien als z.B. auch im Rahmen des deutschen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Maßgeblich ist hierbei, dass biologische Unterschiede unterschiedlich behandelt werden dürfen - und wohl auch müssen -, aber eben dadurch diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist. Auch im deutschen Recht ist der sehr allgemeine Grundsatz "Gleiches nicht willkürlich ungleich und Ungleiches nicht willkürlich gleich behandeln" bekannt. Sind auch Geschlechterrollen betroffen ist jeweils genau abzuwägen, ob es möglicherweise nur diskriminierende Vorstellungen oder echte Unterschiede sind, an die die Ungleichbehandlung anknüpft.
Insofern ist der vorliegende Fall ein sehr schönes Beispiel: Es dürfte leicht nachvollziehbar sein, dass die Geburt eines Kindes für die Mutter doch etwas anderes ist, als für den Vater, sowohl in Hinsicht auf die körperliche und gesundheitliche Verfassung, als auch auf die besondere Beziehung der Mutter zu dem Kind, dass bis vor kurzem noch ein Teil von ihr bzw. in ihrem Bauch war. Fusst die Ungleichbehandlung auf diesem Unterschied und nicht z.B. auf Rollenvorstellungen, wer zu Hause zu bleiben habe, um das Kind zu betreuen, dann ist sie gerechtfertigt. Zweifel an der tatsächlichen Motivlage für die hier betroffene Regelung konnte es vor allem wegen der zeitlichen Dauer des Sonderurlaubs geben.