Änderungskündigung bei Ablehnung von Kurzarbeit
26. November 2020Die Einführung von Kurzarbeit setzt eine entsprechende Betriebsvereinbarung oder Vereinbarung mit der/dem Arbeitnehmer:in voraus. Gibt es keinen Betreibsrat oder kommt keine Betriebsvereinbarung zustande und weigert sich die/der Arbeitnehmer:in, eine derartige Vereinbarung abzuschließen, kann arbeitgeberseitig nicht einfach eine Weisung erfolgen, er muss den Arbeitsvertrag stattdessen abändern, z.B. durch eine sog. Änderungskündigung. Das Arbeitsgericht Stuttgart hat nunmehr mit Urteil vom 22.10.2020, Az: 11 Ca 2950/20, die Voraussetzungen hierfür konkretisiert. Im konkreten Fall ging es sogar um eine außerordentliche, fristlose Änderungskündigung.
Die Änderungskündigung
Eine Änderungskündigung ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses insgesamt, verbunden mit dem Angebot, den Arbeitsvertrag zu veränderten Bedingungen fortzusetzen. Nimmt der gekündigte Arbeitnehmer dieses Änderungsangebot nicht an, kommt keine Änderung der Arbeitsbedingungen zustande. Es bleibt dann bei der Kündigung des (gesamten) Arbeitsvertrages.
Mit einer Änderungskündigung wird der Arbeitnehmer also vor die Wahl gestellt, eine Änderung des Arbeitsvertrags zu akzeptieren oder stattdessen die Kündigung zu erhalten. Voraussetzung ist hierfür gemeinhin, dass eine Kündigung andernfalls zulässig wäre, bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (Bestand des Arbeitsverhältnisses für mehr als 6 Monate; Arbeitgeber beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer:innen ausschließlich Auszubildende) die Arbeitnehmerin also andernfalls nicht mehr beschäftigt werden könnte.
Die Änderungskündigung wegen Kurzarbeit
Bei Kurzarbeit liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit, speziell einer außerordentlichen Änderungskündigung, sind entsprechend auch noch nicht höchstrichterlich geklärt. Das Bundesarbeitsgericht hat aber klargestellt, dass dies grundsätzlich zulässig sein soll (BAG, Urt. v. 27.1.1994, Az. 2 AZR 546/17).
Im konkreten Fall argumentierte der Arbeitgeber, dass ihm zur Einführung der notwendigen Kurzarbeit nur das Mittel Änderungskündigung zur Verfügung gestanden habe, da die Mitarbeiterin einer individuellen arbeitsvertraglichen Lösung nicht zugestimmt habe.
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Stuttgart
Das Arbeitsgericht Stuttgart entschied, eine fristlose Änderungskündigung mit dem Ziel, die Einführung von Kurzarbeit zu ermöglichen, sei im Einzelfall als betriebsbedingte Änderungskündigung nach § 626 BGB gerechtfertigt. Es dürften an die Kündigung keine erhöhten Anforderungen gestellt werden, solange der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt werde.
In einem erheblichen Arbeitsausfall im Sinne von § 96 SGB III (der Regelung, wann die Agentur für Arbeit Kurzarbeitergeld gewährt) liege zugleich ein dringendes betriebliches Erfordernis, welches eine Änderungskündigung rechtfertige. Da eine entsprechende Ankündigungsfrist gewahrt worden sei, die Dauer der Kurzarbeit begrenzt wurde und diese laut individueller Regelung nur dann eingeführt werde, wenn die entsprechenden Voraussetzungen zur Gewährung von Kurzarbeitergeld auch in der Person des Arbeitnehmers vorliegen, sei die fristlose Kündigung auch verhältnismäßig.
Voraussetzungen für eine fristlose Änderungskündigung wegen Kurzarbeit nach dem ArbG Stuttgart
Konkret geht das Arbeitsgericht Stuttgart davon aus, dass eine fristlose Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit verhältnismäßig sei, wenn
- der Arbeitgeber eine angemessene Ankündigungsfrist einhält (im konkreten Fall waren dies etwas mehr als drei Wochen),
- die persönlichen Voraussetzungen des KUG nach §§ 95, 96 SGB III vorliegen,
- die Einführungsmöglichkeit von Kurzarbeit zeitlich begrenzt ist (im konkreten Fall für 7,5 Monate),
- alle anderen milderen Mittel ausgeschöpft sind, der Arbeitgeber also zuvor insbesondere versucht hat, Kurzarbeit durch einvernehmliche Vereinbarung einzuführen).
Bewertung der Entscheidung
Dies ist eine arbeitgeberfreundliche Entscheidung, die dem aktuellen Bedarf zum Umgang mit "Kurzarbeitsverweigerern" entgegenkommt. Sie steht jedoch in einem Widerspruch zu anderen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zu Änderungskündigungen.
Das BAG hatte in seinen bisherigen Grundsätzen zur reinen Entgeltreduzierung durch Änderungskündigung gefordert, dass zunächst als milderes Mittel zur Kündigung ein Sanierungsplan versucht worden sein müssen und auch dann ohne die Reduzierung betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen müssten, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen würden.
Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist eine fristlose Änderungskündigung auch wegen der EInführung von Kurzarbeit sicher rechtmäßig. Diese Grundsätz sind jedoch auf eine Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit sicherlich nicht eins zu eins übertragbar, denn zum einen ist Kurzarbeit nur vorübergehend und greift rechtlich gesehen nicht in das Leistungsverhältnis ein (das Entgelt sinkt im selben Maße wie die Arbeitsverpflichtung), zum anderen Kurzarbeit soll gerade eine schnelle unflexible Reaktion der Arbeitgeber auf Umsatzeinbrüche oder den Wegfall der Arbeit ermöglichen.
Auch allgemein ist eine Änderungskündigung nur möglich, wenn ohne die Änderung eine rechtmäßige Kündigung zulässig wäre, z.B. wenn die Arbeitnehmer:in andernfalls nicht mehr beschäftigt werden könnte. Dem folgt das BAG auch bei Entgeltreduzierungen: Die Entgeltreduktion ist hier milderes Mittel zur andernfalls erforderlichen betriebsbedingten Kündigung.
Denkbar erscheint zudem noch eine gänzlich andere Argumentation: Der Arbeitnehmer:in kann auch zur Zustimmung zu einer konkreten Vereinbarung über Kurzarbeit verpflichtet sein, entweder, wenn dies arbeitsvertraglich wirksam vereinbart wurde und die Voraussetzungen dieser (hinreichend bestimmten) Klausel vorliegen oder wenn er nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner arbeitsvertraglichen Loyalitätspflichten billigerweise diese vorübergehende Vereinbarung nicht ablehnen kann. Bei angemessener Ankündigungsfrist, nicht aus der Risikosphäre des Arbeitgebers stammendem Grund (z.B. einer Pandemie) ohne Versicherbarkeit des Risikos, einer klar begrenzten vorübergehenden Einführung und schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen für den Arbeitgeber:in bei Ausbleiben der Kurzarbeit ohne Kompensationsmöglichkeiten erscheint dies durchaus denkbar. Dem ist dann aber jeweils die individuelle Zumutbarkeit auf Seiten der Arbeitnehmer:in zu berücksichtigen, von Unterhaltspflichten über sonstige finanzielle Verpflichtungen bis hin zu persönlichen Lebensumständen im Rahmen einer Einzelfallabwägung entgegenzuhalten.