Corona-Regeln zu Hartz IV: Das LSG Niedersachsen-Bremen sagt einmal ja und einmal nein
19. Oktober 2020Heute hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zwei Entscheidung zu den Corona-Sonderregelungen zu Hartz IV/Arbeitslosengeld II getroffen. In einem Fall beleuchtete das Gericht die Grenzen der Sonderregelung, im zweiten Fall hingegen deren besondere Reichweite.
Grenzen der Sonderregelungen
Mit Beschluss vom 22.09.2020, Az. L 11 AS 415/20 B ER, setzte sich das Gericht mit der neuen Vorschrift des § 67 Abs. 5 Satz 3 SGB II auseinander, wonach die Weiterbewilligung von Grundsicherungsleistungen ohne Überprüfung des weiteren Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen erfolgt, also unveränderter Verhältnisse angenommen werden. Hier hatte ein Leistungsbezieher bereits seit längerem Leistung zur Sicherung der Unterkunft erhalten. Das Jobcenter hatte hierbei Mietzahlungen der Anspruchsberechnung zugrunde gelegt.
Tatsächlich handelte es sich aber um Zahlungen für einen Mietkauf, also einen Vertrag, bei dem nicht nur eine Miete entrichtet wird, sondern zugleich auch in Raten das Objekt erworben wird. Es entspricht ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte, dass für derartige Leistungen, die dem Vermögensaufbau dienen, keine Ansprüche auf Arbeitslosengeld II bestehen können. Das Jobcenter hatte hiervon erst nach Beginn der Corona-Pandemie Kenntnis erlangt.
Hier stellt das Gericht klar, dass die neue Vorschrift zwar eine Weiterbewilligung ohne Überprüfung der bisher gegebenen Anspruchsvoraussetzungen vorschreibe, eine davon unabhängige Änderung der Bescheide für die Vergangenheit und Zukunft durch das Jobcenter aber nicht berührt sei, wenn das Jobcenter erst erkannt hat, dass die bisherigen Bescheide rechtswidrig waren. "Diese Vorschrift dürfe nicht dazu führen, dass ein Jobcenter „sehenden Auges“ Leistungen zu Unrecht gewähre."
Große Reichweite der Sonderregelungen
Mit Beschluss vom 29.09.2020, Az. L 11 AS 508/20 B ER, hatte das Gericht hingegen über die neue Vorschrift des § 67 Abs. 3 SGB II zu entscheiden, die vorsieht, dass in Corona-Zeiten für die Dauer von sechs Monaten keine Prüfung erfolgen solle, ob die von den Leistungsbeziehern für ihre Wohnung zu zahlende Miete zu teuer sei. Es entschied, dass eine Ursächlichkeit zwischen dem Eintritt der Hilfebedürftigkeit und der epidemischen Lage sei ausdrücklich nicht erforderlich sei.
Die Neuregelung soll Leistungsbezieher davor schützen, wegen der Corona-Pandemie sich die derzeit bewohnte Wohnung nicht mehr leisten zu können, auch wenn deren Kosten eigentlich zu hoch ("unangemessen") sind. Insofern sichert die Regelung, dass auf einen möglicherweise andernfalls notwendigen Umzug während der Pandemie verzichtet werden kann.
Das Gericht hat insofern jedoch klargestellt, dass dies nicht nur für seit Langem bewohnte Wohnungen, sondern auch für eine gerade erst neu bezogene zu teure Wohnung gelte. Das Gericht begründet dies hiermit, dass der Nachweis einer Ursächlichkeit zwischen der Eintritt der Hilfebedürftigkeit und epidemischen Lage ausdrücklich nicht erforderlich sei. Insofern sei auch abgesichert, wer während des Zeitraums der Pandemie keinem günstigen Wohnraum findet. Insofern sei für den im Gesetz geregelten Zeitraum jede teure Wohnung vorübergehend privilegiert.
Zu beachten ist hierbei aber, dass umgekehrt diese teuren Wohnung nur für einen von vornherein festgelegten Zeitraum übernommen werden, nämlich für sechs Monate. Außerdem gilt dies nur für Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 1. März 2020 bis zum 30. Juni 2020 beginnen.