Prozesskostenhilfe: Vermietung von Wohnraum „pro Matratze“ sittenwidrig
14. September 2022Das war geschehen
Der Antragsteller pachtete vom Antragsgegner im Frühjahr 2014 für zehn Jahre in Wiesbaden drei Gebäude. Er durfte die Gebäude zu Wohnzwecken nutzen und untervermieten. 2015 erging eine polizeiliche Kontrolle der Gebäude, bei der man 61 Personen in den Gebäuden antraf. Durch lokale Berichterstattung wurde die dortige Wohnsituation Ende 2016 als unverändert geschildert und informiert, dass Wohnraum „pro Matratze“ an osteuropäische Personen vermietet werde und das Gebäude verwahrlose. Nach Angaben des Ordnungsamts waren in dem Objekt 85 Personen gemeldet. 2018 wurde anlässlich von Ortsterminen des Sozialdezernenten und Mitarbeitern des Baudezernats erneut von unveränderten Zuständen lokal berichtet. Es erfolgte u.a. ein Verwaltungsbescheid zur unverzüglichen Bekämpfung des infolge Vermüllung vorhandenen Rattenbefalls.
Der Antragsgegner kündigte den Pachtvertrag im Mai 2019 fristlos wegen Zahlungsverzugs und erteilte dem Antragsteller ein Hausverbot. Dieser forderte dagegen Erstattung von Renovierungskosten und verwies auf nicht eingehaltene Verkaufspläne. Mit dem streitgegenständlichen Antrag begehrt er Prozesskostenhilfe, um den Antragsgegner auf Zahlung von gut 100.000 Euro Schadenersatz zu verklagen. Das Landgericht (LG) hatte den Antrag zurückgewiesen.
Keine Aussicht auf Erfolg: keine Prozesskostenhilfe für Klage
Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die beabsichtigte Klage sei nicht erfolgversprechend, begründete das OLG seine Entscheidung. Dem Antragsteller stünden keinerlei Zahlungsansprüche gegen den Antragsgegner zu. Pflichtverletzungen des Antragsgegners im Zusammenhang mit dem Verkauf lägen nicht vor. Das Pachtverhältnis sei zudem wegen Verwahrlosung der Pachtsache und Zahlungsverzugs wirksam fristlos gekündigt worden. Der Antragsteller habe die Pachtsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfaltspflichten erheblich gefährdet und sie unbefugt Dritten überlassen. Der Zustand ergebe sich aus den Feststellungen im ordnungspolizeilichen Bescheid. Zudem habe der Antragsteller die Angaben in den Presseberichten nicht konkret bestritten.
Sittenwidrigkeit: keine entgangenen Mieteinnahmen
Durch das Hausverbot habe der Antragsgegner zwar verbotene Eigenmacht ausgeübt. Ein Anspruch auf entgangene Mieteinnahmen stehe dem Antragsteller nicht zu, da das Pachtverhältnis wirksam gekündigt war. Zudem wäre eine Untervermietung der Räume angesichts des Zustands der Pachtsache schwer oder gar nicht möglich gewesen. Die Polizei habe im August 2019 festgestellt, dass der Aufenthalt von Menschen in den Räumen einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle. Gesundheitsschutz und Gefahrenabwehr hätten gegen ein Aufenthaltsrecht gesprochen. Ob die zuvor praktizierte Untervermietung gegen die guten Sitten verstieß, bedürfe hier zwar keiner Entscheidung. Eine Vermietung von Wohnraum pro Matratze an osteuropäische Personen sei jedoch sittenwidrig und führe zur Nichtigkeit der Untermietverhältnisse. Diese Untermietverhältnisse verstießen auch gegen das Verbot der Überbelegung von Wohnraum gemäß dem Hessischen Wohnungsaufsichtsgesetz (§ 7 HWoAufG). Die Entscheidung kann nicht angefochten werden.
Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 18.5.2022, 2 W 45/22, PM Nr. 51/2022 vom 23.6.2022