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Kindesunterhalt des Vaters bei vermögenden Großeltern

07. Januar 2022

Der #Bundesgerichtshof (BGH) hat geklärt, ob die sog. gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern auch besteht, wenn finanziell leistungsfähige #Großeltern vorhanden sind. Der BGH hat die Frage entschieden verneint. 

Das war geschehen

Ein Bundesland als Träger der Unterhaltsvorschusskasse verlangte #Kindesunterhalt aus übergangenem Recht für den Zeitraum von Juni 2016 bis einschließlich Dezember 2017. Der Antragsgegner ist der Vater der im August 2010 geborenen Tochter, die aus seiner inzwischen geschiedenen Ehe mit der Kindesmutter hervorgegangen ist, sowie eines Sohnes, dem er ebenfalls #unterhaltspflichtig ist. Er verfügte über ein Nettoeinkommen von rund 1.400 Euro und zahlte an die Kindesmutter, deren Nettoeinkommen aus einer Teilzeittätigkeit rund 1.000,00€ betrug, monatlichen Unterhalt für die Tochter in Höhe von 100,00€. Seine  Eltern - die #Großeltern des Mädchens - hatten monatliche Nettoeinkünft von fast 3.500,00€ bzw. gut 2.200,00€. Die Unterhaltsvorschusskasse leistete für die Tochter Unterhaltsvorschuss und nahm den Vater von auf sie übergegangenen Unterhalt in Höhe von insgesamt 758,29€ in Regress. Der Antragsgegner wandte ein, er hafte ansgesichts der leistungsfähigen Großeltern nur bis zur Höhe des angemessenen Selbstbehalts und sei deswegen nicht leistungsfähig. 

So sahen es die Gerichte

Das #Amtsgericht (AG) hat dem Zahlungsantrag in vollem Umfang entsprochen. Auf die #Beschwerde des Vaters hat das Oberlandesgericht (OLG) diese Entscheidung geändert und den Antrag abgewiesen. Der #Bundesgerichtshof (BGH) hat die dagegen vom Land eingelegte Rechtsbeschwerde zurückgewiesen, weil der Vater nicht über die von ihm erbrachten #Unterhaltszahlungen hinaus leistungsfähig im Sinne des Gesetzes (§1603 BGB) war. 

Die Argumente des BGH

Verwandte in gerader Linie müssen einander Unterhalt gewähren. Dabei geht die #Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder derjenigen der Großeltern für ihre Enkel vor. Unterhaltspflicht ist nicht, wer seinen eigenen angemessenen Unterhalt gefährden würde. Der daraus abgeleitete angemesse #Selbstbehalt eines Elternteils gegenüber seinem Kind betrug seinerzeit 1.300,00€. Allerdings trifft Eltern minderjähriger Kinder eine gesteigerte Unterhaltspflicht, weshalb ihnen insoweit nur der notwendige Selbstbehalt von seinerzeit 1.080,00€ zusteht. Diese sog. gesteigerte Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist. Der BGH: Das Vorhandensein von für den Enkelunterhalt leistungsfähigen Großeltern führt dazu, dass die gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern für ihre minderjährigen Kinder entfällt. Dies folgt nicht nur aus dem Gesetzeswortlaut, der nicht nach dem Verwandtschaftgrad differenziert. Es entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der diese Regelung seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in der Vorstellung getroffen hatte, die Erweiterung der Unterhaltspflicht sei wegen der für die Eltern damit verbundenen Härte nicht gerechtfertigt, solange andere zur Gewährung des Unterhalts verpflichtete Verwandte, wie etwa Großeltern, vorhanden sind. An dieser gesetzgeberischen Konzeption , die sich in die Konstruktion des Verwandtenunterhalts als Ausdruck der generationübergreifenden Solidarität einfügt, hat sich bis heute nichts geändert. Werden Großeltern für den Unterhalt ihrer Enkel herangezogen, stellt dies auch keine verdeckte Unterhaltsgewährung an die Kindeseltern dar. Vielmehr haften sie originär nur auf den #Unterhalt gegenüber ihren Enkelkindern. Die Kindeseltern müssen ihren eigenen angemessenen Unterhalt selbst sicherstellen. Durch dieses Gesetzverständnis wird das gesetzliche Rangverhältnis nicht in Frage gestellt. Zudem bleibt gewährleistet, dass die Ersatzhaftung der Großeltern die Ausnahme darstellt. Dafür sorgt nichtnur die Anordnung des Vorrangs der elterlichen Unterhaltspflicht, sondern auch, dass Großeltern gegenüber ihren #Enkeln ein deutlich höherer angemessener Selbstbehalt zusteht (Stand Oktober 2021: 2.000,00€ zzgl. der Hälfte des über 2.000,00€ liegenden Einkommens) als den Eltern gegenüber ihren Kindern. Dass der Staat für #Unterhaltsvorschusszahlungen keinen Regress bei Großeltern nehmen kann, ist wiederum eine ganz bewusste gesetzgeberische Entscheidung, kann jedoch nicht dafür maßgeblich sein, welchen Umfang die zivilrechtliche Unterhaltspflicht der Eltern hat. Schließlich geben auch Praktikabilitätserwägungen keine intensivere Nachforschungen zu den Einkommensverhältnissen der Großeltern erforderlich sind, dürfte begrenzt sein. Vor allem aber muss ein auf den Unterhalt in Anspruich genommener Elternteil in solchen Fällen nicht nur darlegen und beweisen, dass bei Unterhaltszahlung sein angemessener Selbstbehalt nicht gewahrt wäre, sondern auch, dass andere leistungsfähige #Verwandte vorhanden sind.

Fazit

Danach traf den Vater hier keine gesteigerte Unterhaltspflicht, weil jedenfalls der Großvater ohne Weiteres leistungsfähig für den Kindesunterhalt war. Unter Berücksichtigung des angemessenen #Selbstbehalts musste der Vater daher über die bereits gezahlten 100,00€ hinaus keinen weiteren Kindesunterhalt leisten.

Quelle: BGH, Beschluss vom 27.10.2021