Aufenthaltsbestimmung: Keine Rückführung eines entführten Kindes in die Ukraine
30. Januar 2023Mutter floh mit Tochter aus Odessa
Die gemeinsam sorgeberechtigten und jetzt getrenntlebenden Eheleute lebten bis März 2022 mit ihrer damals einjährigen Tochter in Odessa. Nach mehreren Fliegeralarmen, die die Eltern teilweise mit dem Kind im Auto in einer Tiefgarage verbracht hatten, begab sich die Mutter mit der Tochter ohne Zustimmung des Vaters nach Deutschland, was eine Kindesentführung im Sinne des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) darstellt.
Vater wollte Tochter in die Ukraine zurückholen
Der Vater begehrte daraufhin beim Familiengericht die Rückführung seiner Tochter in die Ukraine. Die Mutter lehnt die Rückführung der Tochter ab, da die Rückführung in ein Kriegsgebiet zu gefährlich sei. Das für Verfahren nach dem HKÜ international und örtlich zuständige Amtsgericht (AG) Stuttgart wies die Anträge des Vaters ab. Mit seiner Beschwerde zum OLG Stuttgart verfolgte der Vater die Rückführungs- und Herausgabeanträge weiter. Hilfsweise beantragte er, dass die Tochter in die Republik Moldau verbracht werden solle.
Oberlandesgericht: Rückführung des Kindes zu gefährlich
Das OLG hat die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt und alle Anträge des Vaters zurückgewiesen. Eine Rückführung des Kindes in die Ukraine sei mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden (Art. 13 Abs. 1 b) HKÜ). Die Voraussetzungen dieser Härteklausel lägen bei einer Kindesrückführung in ein Kriegsgebiet vor. Um ein Kriegsgebiet handle es sich bei dem gesamten Staatsgebiet der Ukraine seit dem 24.2.2022, wie sowohl die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes als auch die aktuelle Medienberichterstattung zeige. Dies gelte auch für die Westukraine einschließlich des Bereichs um Odessa. Es bestehe daher eine konkrete Gefahr für das Leben des noch nicht zwei Jahre alten Kindes.
Auch Ausweichen auf die Republik Moldau keine Option
Eine Rückführung in die Republik Moldau komme ebenfalls nicht in Betracht, da nach dem Grundgedanken des HKÜ und der Rechtsprechung dazu grundsätzlich nur eine Rückführung in das Land des bisherigen Aufenthalts eines Kindes möglich sei. Ausschlaggebend dafür sei, dass in dem Staat, in den das Kind rückgeführt werden solle, umgehend eine gerichtliche (Sorgerechts-) Entscheidung über den weiteren Aufenthalt des Kindes ermöglicht werden solle. Dafür wären die Gerichte der Republik Moldau nicht international zuständig, da das Kind dort nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe.
Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss des OLG ist nicht gegeben.
Quelle | OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.10.2022, 17 UF 186/22, PM vom 18.10.2022